Kulturschaffende im Austausch

Etwa 80 TeilnehmerInnen sind der Einladung zum virtuellen Austusch über das Kulturleben Freisings gefolgt und haben sich zur Onlinekonferenz am vergangenen Donnerstagabend eingewählt. Ein Abriss über die knapp zweistündige Videodiskussion, in der vor allem eine Vernetzung der Kulturschaffenden angestrebt wurde.

„Corona hat die fertigen Planungen für die Jahre 2020 und 2021 komplett über den Haufen geworfen.“, so eröffnete Dr. Ingo Bartha, Leiter der Kulturreferats, die Onlinekonferenz. Mit Beginn der Pandemie und mit dem ersten Lockdown im März / April des letzten Jahres seien alle Veranstaltungen auf den Herbst 2020 verschoben worden.

Veranstaltungen zu Coronazeiten sind eine organisatorische Herausforderung. Foto: Nicolas Keckl.

Doch die vorstellungsfreie Zeit hat die Stadt nicht tatenlos verstreichen lassen: Beispielsweise wurde die Klimaanlage in der Luitpoldhalle ertüchtigt und Corona-konform saniert. So konnten zwei Theateraufführungen vor jeweils 150 Gästen gezeigt werden. Und auch im Lindenkeller konnten Veranstaltungen angeboten werden, wenn auch nur mit maximal 50 Personen.

Der Sommer brachte Lockerungen und ermöglichte einige gut genutzte Angebote auf kultureller Ebene. Bis Ende Oktober dann der zweite Lockdown kam und die angesetzten Veranstaltungen abgesagt oder verschoben werden mussten.
Das Team im Kulturamt hatte dann alle Hände voll zu tun: Erstattungen von Tickets, Stornierungen und Umplanungen. „Nahezu alle Spielstätten sind 2021 komplett mit Nachholterminen ausgebucht“, so Bartha.

Optimismus für einen kulturellen Sommer

Dennoch blickt er optimistisch auf den Frühsommer mit vielen Möglichkeiten und stellte auch in Aussicht, dass es eine Wiederholung des Sommerwunders geben könnte.

Ein Sommerwunder sei auch 2021 denkbar. Foto: Nicolas Keckl.

Dieser Aussicht schloss sich auch Susanne Günther, Kulturreferentin im Stadtrat, an: „Die Kulturbranche kann sich auf die Unterstützung der Verwaltung verlassen, die alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen wird.“ Nach Günthers Ansicht werden uns die hohen organisatorischen und finanziellen Anforderungen der Pandemie bis ins Frühjahr oder den Sommer hinein begleiten.
Sie verwies aber auch darauf, dass die Kulturschaffenden in einer starken Branche arbeiten, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorge und durch „Singen, Tanzen und Genießen“ eine großartige Alltagshilfe für Alle biete.

Die Planungen konzentrieren sich momentan alle auf den Herbst 2021 und die Buchungen liefen alle normal weiter, „es bleibe ja auch gar nichts Anderes übrig“, so Ingo Bartha, „Und wenn uns das Virus einen Strich durch die Rechnung macht, müssen wir eben wieder Veranstaltungen verschieben.“

Trauriges Jahr 2020

Der Stadtjugendpfleger Fritz Andresen findet über das zurückliegende Jahr nicht viele gute Worte: „Für VeranstalterInnen und KünstlerInnen ist 2020 ein sehr trauriges Jahr gewesen.“ Zurückblickend freute er sich am meisten über das gelungene Sommerwunder, hob aber auch die kreativen Ideen und Ansätze Freisinger Kultureinrichtungen hervor. Beispielshalber nannte Andresen das Programm im Café Botanika und die Straßenmusik beim Furtner.

Eine Wiederholung des Sommerwunders begrüßte er ebenso und hofft auf eine noch stärkere Einbindung des Lindenkeller Biergartens. Aber vor allem sei ein „starker Herbst mit vielen tollen Veranstaltungen zum Tanzen und Feiern“ wünschenswert.

Kulturfonds: Anträge einreichen!

Susanne Günther machte nochmals auf den Kulturfonds der Stadt Freising aufmerksam: „Ich bin froh, dass wir diesen mit 40.000 Euro pro Jahr gefüllten Topf haben!“ Jedoch würde dieser fast nie ausgeschöpft. „Bevor wir im Stadtrat über eine Kürzung oder gar die Einstellung des Fonds diskutieren müssen, bitte ich euch darum eure Anträge einzureichen!“, lautet ihr Appell.

Eine Förderung durch den Kulturfonds kann ganz einfach online beantragt werden. Zweck des Fonds sei die Abmilderung von Defiziten bei der Durchführung von kulturellen Projekten. Dabei gehe es nicht um die Absicherung des Einkommens des Einreichenden, sondern darum die Buchung von KünstlerInnen oder Equipment zu ermöglichen und so eine eventuelle Unterfinanzierung des Vorhabens zu reduzieren.

Nicht nur finanziell greift die Stadt hier unter die Arme: Sachleistungen wie die kostenfreie Überlassung von Spielstätten oder technische Hilfeleistungen bei der Durchführung gehören auch zu den Instrumenten des Kulturfonds.

Bei Fragen zum Antragsprozedere stünden Dr. Bartha und seine MitarbeiterInnen gerne zur Verfügung. Die Entscheidung über die Förderung der eingereichten Anträge trifft dann der Kulturausschuss des Stadtrats. Hierzu merkte Susanne Günther noch an, dass während ihrer Zeit als Kulturreferentin „nahezu alle Anträge genehmigt“ und die entsprechenden Projekte „gefördert wurden“.

Beispiel für Förderung: Kultur vor dem Fenster

Simone Oruche-Brand (bekannt als Simone Saitenfeder) trug ein Projekt an das Kulturamt heran, das derzeit in einigen deutschen Städten anläuft: „Kultur vor dem Fenster“ ist eine Datenbank für KünstlerInnen, die den Kontakt zu Privatleuten, Firmen und Vereinen vermittelt. Denn Oruche-Brand ist überzeugt, dass es auch im Sommer noch Leute geben werde, „die sich noch nicht auf Veranstaltungen trauen“ würden. So kann sich jeder seinen Act nach Hause bestellen.
Die Stadt Freising unterstützt das Projekt durch die Übernahme der Systemkosten und das Team um Dr. Bartha erarbeitet derzeit die Spielregeln für die Buchungen. Es soll schließlich alles mit den Regelungen konform sein und dafür sei insbesondere wichtig, die privaten Konzerte von öffentlichen Veranstaltungen abzugrenzen. Aus diesem Grund müssen alle Vorstellungen auf ausschließlich privatem Gelände stattfinden.
Als möglichen Start für das Projekt in Freising wurde der Zeitraum um den 10. März 2021 angepeilt.

Brainstorming Ja, Durchführung spontan

Odilo Zapf, Chef der städtischen Musikschule, sprach über die nun wieder möglichen Einzelunterrichte von einem Lichtblick. Seit 75 Tagen ruhte der Betrieb nämlich weitestgehend. Brainstorming zum Kulturprogramm wurde intensiv betrieben, jedoch kann nur spontan auf neue Vorgaben und Regelungen zur Durchführung reagiert werden. „Kultur sollte einen höheren Stellenwert haben.“, fordert Zapf und zitiert den neuen Kulturamtsleiter Markus Bader: „Kultur ist nicht nur systemrelevant, sondern seelenrelevant!“

Vernetzung und Digitalisierung – auch in der Kulturbranche

Nach den offiziellen Statements schloss sich eine rege Diskussionsrunde an, die zwei Schwerpunkte fand. Einig waren sich alle in einem Punkt: Die Freisinger Kulturbranche braucht ein dichteres Netzwerk. Konkrete Ansätze konnten hier nicht gefunden werden, aber einige Möglichkeiten wurden ins Spiel gebracht. Diese reichen von WhatsApp- bzw. Messengergruppen über Facebook und Webforen zu Mail- und Telefonlisten.
Von Seiten der Stadtverwaltung kam eine klare Absage als Organisatorin und Betreiberin eines solchen Künstlernetzwerks: „Hier müssen die Kulturschaffenden selbst aktiv werden und sich vernetzen.“, erklärte Dr. Bartha.

Kultur online: Fluch und segen?

Eine breitere Diskussion mit zum Teil sehr unterschiedlichen Standpunkten entstand um das Thema „Digitalisierung“.

Roya Klingner meldete sich hier als erste zu Wort. Die Kinderbuchautorin hat ein Projekt ins Leben gerufen, das deutschlandweit Anklang gefunden hat: „Freising liest für Kinder vor“ bietet Kindern (und Erwachsenen) Vorlesungen der Märchen der Gebrüder Grimm und von Hans Christian Andersen. Das Zuhören kostet übrigens Nichts.
Klingner ist eine große Befürworterin der digitalen Arbeit und ist bei interessanten Projekten gerne mit an Bord.

In die Gruppe reihen sich außerdem noch andere ein:
Gottfried Herrmann vom 3-Klang e.V. ist begeisterter Livestreamer. Einmal pro Monat veranstaltet der Verein einen Livestream. Der Eintritt ist frei bzw. basiert auf freiwilligen Spenden. Und die Leute geben gerne eine Spende ab, wie er berichtet. Abseits davon gibt es auch tolle Nebeneffekte. So war ein venezuelanischer Künstler im Programm, der seinen Landsleuten davon erzählte und die sich ebenfalls in die Schalte einwählten: Internationaler geht es kaum!

Auch am Schafhof hat Eike Berg das Netz als Plattform entdeckt. Er sieht die Stärken vor allem darin auch bei Zwangspausen mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben. Zudem gebe es die Möglichkeit über Spenden oder Bezahlschranken auch Einnahmen mit den Streams zu generieren. Seiner Erfahrung nach ist das Bezahlen nicht die Hemmschwelle für digitalen Kulturgenuss. Vielmehr ist die Zeit der Faktor: Wer den ganzen Tag im Home Office vor seinem Rechner sitzt möchte abends nicht nochmal eine oder zwei Stunden auf den Bildschirm starren.
Außerdem ist der Aufwand für Streaming- und Onlineangebote sehr hoch. Beispielhaft nannte Berg hier ein Projekt „3D-Schafhof“, das derzeit von einer freiwilligen Helferin umgesetzt wird: „Ohne freiwilliges Engagement geht so etwas nicht – auch nicht für ein europäisches Künstlerhaus.“
Großes Potenzial sieht er hingegen in Talkrunden mit KünstlerInnen, ob das mit Musik und anderen Darbietungen ebenfalls funktioniert konnte Herr Berg nicht abschätzen.

Philipp Lachner ist Gesellschafter bei der Eventunion GmbH, einer Firma die auf Touring spezialisiert ist. Seine Firma arbeite derzeit an einem Großprojekt für den Sommer: „Wir haben Einiges in der Pipeline für einen längeren Zeitraum im Juni – vieles davon ist aber noch nicht genehmigt.“ Bei dem Projekt sollen wohl regionale Bands im Vordergrund stehen, aber auch überregionale Größen aufspielen.
Außerdem steht seine Firma mit der Stadt in Kontakt um Livestreams z.B. aus dem Lindenkeller anzubieten. Darin sehe er großes Potenzial, wenn auch nur auf Spendenbasis.
Von Seiten der Verwaltung wird das Thema jedoch auch kritisch betrachtet. „Von der Geschwindigkeit her sei das durchaus machbar“, sagte Fritz Andresen. Jedoch sehe er ein großes Problem in der Publikumsbindung: „Was hält die Leute denn vor dem Bildschirm? Nicht nur, dass da eine Band spielt. Es muss auch das Rahmenprogramm stimmen.“ Auch für Ingo Bartha ist beim Thema Livestreams noch „kein einheitliches Bild“ erkennbar und die Unsicherheit ob genug Publikum Interesse an solchen Gigs habe groß. Andresen ergänzt hier: „Gutes Livestreaming ist kostenintensiv und verspricht auf der anderen Seite geringe Einnahmen.“

Ein Streaming-Studio für Freising?

Digitale Kultur. Foto: Nicolas Keckl

Viele haben sicherlich schon vom Angebot „Gastro Zoom“ der Aktiven City gehört oder gelesen. Hier laufen Kochsessions mit thematischem Bezug zum Mitkochen. Auch wenn das Format kulturelle Beiträge ausgeschlossen hat, hält Manuela Paparizos die Einbindung lokaler KünstlerInnen in das Programm für eine gute Idee. Allerdings fehlten hierfür Equipment und Know-How, das anderswo zugekauft werden müsste.

Hierfür bot sich gleich Philipp Lachner an, man könnte doch ein Studio zum Streaming einrichten, das je nach Bedarf mit Equipment (und Personal) angemietet werden könnte. Eine Idee von der sich auch Eike Berg nicht abgeneigt zeigte.

Essen to-go statt Krimidinner und Livekonzerte

Klaus Thermer, Pächter im Lindenkeller, hat es hart getroffen. Statt spannungsgeladener Themenabende und rockiger Livekonzerte gibt es am Veitsberg seit Oktober nur noch Essen zum Mitnehmen an vier Tagen die Woche.
Trotz der Flaute herrscht im Lindenkeller reges Treiben: Handwerker renovieren, sanieren und modernisieren was der Werkzeugkoffer hergibt, damit der Lindenkeller bereit ist wenn es wieder losgehen darf. Thermer rechnet übrigens damit, dass sein Programm ab Mai wieder anlaufen kann.

Im Lindenkeller freut man sich schon auf die Wiedereröffnung, die schätzungsweise im Mai kommen könnte. Foto: Nicolas Keckl

Bis dahin haben er und sein Team schon jetzt „viel Platz sowie große Lust und Freude wenn es wieder losgeht.“

Dringend Probenräume gesucht!

Christoph Weidlich (Heinrich-Schütz-Ensemble) beklagt, dass es kaum Möglichkeiten zur Probe für Musikgruppen und Chöre gebe und ob von Seiten der Verwaltung hier nicht Unterstützung geleistet werden könne.

Herr Dr. Bartha musste aufgrund der Coronaregeln eine Absage erteilen, da „sämtliche Spielstätten geschlossen bleiben“ müssten.

Jedoch konnte Susanne Günther die Problematik bestätigen. Sie ist bereits tätig geworden und hat Kontakt zum Landratsamt aufgenommen. Möglichkeiten gibt es ihrer Meinung nach zum Beispiel in den großen Räumlichkeiten im derzeitigen Impfzentrum. Hierzu hat sie noch keine Rückmeldung vom Landkreis erhalten.
Weiter hat Günther angefragt ob man nicht die leerstehenden Schulcontainer als Probenräume nutzen könnte. Aufgrund anstehender Baumaßnahmen an den Schulen würden diese ab Sommer wahrscheinlich wieder als Ausweichklassenzimmer benötigt. Ob eine temporäre Nutzung möglich ist, versucht die Kulturreferentin noch zu klären.

„Lieber auf Sicht fahren“

Mark Hanow bei der Eröffnung des Altstadt Christkindlmarkts. Foto: Nicolas Keckl

Für viele dürfte Marc Hanow ein bekanntes Gesicht sein: Zusammen mit Julian Hobmeier bildet er die Band Apollon’s Smile. Darüber hinaus gilt er als Schöpfer beliebter Veranstaltungen in Freising (American Bar Night, Springtime und das Bonfire Festival). Hanow hob auch das große Engagement der Freisinger Kulturszene hervor, die großartige Programme – zum Teil selbstfinanziert – auf die Beine gestellt haben.
Obwohl die Release-Party im Lindenkeller mustergültig ohne einen einzigen Coronafall ein voller Erfolg war, rät er dazu, erst einmal noch „auf Sicht zu fahren“. Primäres Ziel muss jetzt die starke Vernetzung der Kulturschaffenden untereinander sein.

Für neue Projekte steht Hanow aber weiterhin gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Live wäre besser

Als „tollen Auftakt“ bezeichnete Susanne Günther die Onlinekonferenz. Die rege Diskussion zeigte, dass ein sehr großes Interesse am Austausch vorhanden sei und die produktive Art und Weise des Meetings biete „zahlreiche Gründe“ für eine Wiederholung – auch wenn es mit Sicherheit noch schöner gewesen wäre, man hätte sich nicht nur durch den Videochat sondern in der Gastro zusammensetzen und wiedersehen können.

Ingenieur aus Freising - fast immer mit Kamera unterwegs.

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